Langsam öffnete ich meine Augen und blinzelte. Mein Mann lag noch neben mir im Bett. Ein Blick auf die Uhr – 5 Uhr morgens. Ich hatte Wehen. Sie waren gut auszuhalten, aber schlafen konnte ich jetzt nicht mehr. Kurz darauf klingelte der Wecker. Ich schickte meinen Mann zur Arbeit, weil ich vermutete das es nur Übungswehen waren und sie wieder weg gehen.

Es war ja grade mal ein Tag nach dem errechneten Termin. Doch insgeheim musste ich lächeln bei der Vorstellung, das wir vielleicht heute oder morgen endlich unsere Tochter im Arm halten. Ich konnte es gar nicht abwarten, sie endlich zu sehen und an mich zu drücken.

Mit einem heißen Tee kuschelte ich mich wieder ins Bett. Einschlafen konnte ich nicht mehr. Also machte ich mir einen Film an. Die Wehen wurden langsam stärker.

Gegen 9 Uhr rief ich meinen Mann auf der Arbeit an und sagte ihm, dass ich gerne Gesellschaft hätte, auch wenn wir noch nicht ins Krankenhaus mussten. Als er zu Hause war, war ich erleichtert. Er brachte mir regelmäßig etwas zu trinken und war bei jeder Wehe bei mir und massierte mich.

Dazwischen schaffte er es irgendwie meine Kliniktasche ins Auto zu bringen und machte noch einige Handgriffe in unserer Wohnung. Und trotzdem schaffte er es, mich mit keine Wehe alleine zu lassen. Bis heute weiß ich nicht, wie er das gemacht hat. Es war mir jedenfalls eine sehr große Hilfe.

Irgendwann gegen Mittag sagte er, dass ich nun seit einer Stunde alle 5 Minuten Wehen hätte und wir langsam Richtung Krankenhaus fahren sollten. Also ging ich in Ruhe duschen und ließ mir dabei Zeit. Denn ich wollte nicht noch stundenlang spazieren geschickt werden.

Im Krankenhaus wurde das CTG gemacht. Dann kam die große Überraschung: der Muttermund war schon 8 cm geöffnet. Damit hatten wir nicht gerechnet, freuten uns aber riesig. Also ging es direkt in den Kreißsaal. Das war gegen 13/14 Uhr.

Im Kopf rechnete ich aus: Es dauert ca. eine Stunde, bis der Muttermund sich 1 cm geöffnet hat. Also noch mindestens zwei Stunden plus Presswehen. Ich stellte mich gedanklich auf mehrere intensive Stunden ein.

Die Hebamme sah ab und an nach uns und fragte, ob ich schon das Gefühl hätte pressen zu müssen, doch ich musste verneinen. Bei der nächsten starken Wehe sah ich meinen Mann an und sagte: „Ich gehe jetzt. Ich kann nicht mehr.“ Ein liebevolles Lächeln umspielt seine Lippen. Er sah mir die Schmerzen an und wusste, dass ich natürlich nicht gehen werde.

Als die Hebamme das nächste Mal kam, hatte ich das Gefühl, pressen zu müssen. Man kann es nicht erklären, man spürt es einfach. Mein Mann hielt meine Hand. Wir hatten uns vorher extra auf einen Griff geeinigt, bei dem ich ihm nicht die Finger zerquetschen würde. Das war auch gut so. Denn später erzählte er all unseren Freunden, dass man sich gar nicht vorstellen kann, wie viel Kraft eine Frau hat.

Zwischen den Wehen sagte er mir immer wieder, dass ich das gut mache. Es würde nicht mehr lange dauern. Er sei stolz auf mich. Das war genau das was ich in dem Moment gebraucht habe.

Liebe Männer, liebe Papas, ihr denkt vielleicht ihr tut im Kreißsaal ja nichts. Ihr habt keine Vorstellung davon, wie gut es tut, dass ihr da seid. Wie viel Kraft eure Worte geben. Wie sehr wir eure Anwesenheit schätzen.

Irgendwann platzte die Fruchtblase. Ich glaube, ich habe die Hebamme gebadet. Ich entschuldigte mich Tausende Male. Sie war aber ganz entspannt, schließlich gehört das zu ihrem Job und ich war sicher nicht die erste von der sie eine gratis Dusche erhielt. Trotzdem war es mir irgendwie unangenehm. Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, kam schon die nächste Wehe.

Ich war so überrollt von der Wehe, dass ich es nicht mehr schaffte, mich auf meine Atmung zu konzentrieren. Mein Mann passte seine Atmung meiner an und atmete so ruhig und tief wie wir es im Geburtsvorbereitungskurs gelernt hatten. Das war eine große Hilfe. Ich hörte seine Atmung und versuchte, mich darauf zu konzentrieren.

Meine Beine schlackerten und ich hatte keine Kontrolle darüber. Die Hebamme lächelte mich an und sagte, ich solle mir keine Sorgen machen. Rückblickend ist es logisch, dass mein Körper reagierte. Ich hatte nicht einmal ein halbes Croissant gegessen und auch viel zu wenig getrunken, der Körper arbeitete auf Hochtouren.

Schließlich hörte ich, wie die Herztöne unseres Babys unregelmäßig wurden. Die Hebamme war ganz entspannt, also machte ich mir keine Sorgen. Sie ermutigte mich: „Nur noch ein paar Wehen und Ihr Baby ist geboren.“ Okay, also los. Aber irgendwie klappte es nicht. Schließlich sagte die Ärztin, ich solle noch einmal feste pressen. Statt meine Kraft nach außen rauszulassen, sollte ich das Kinn auf die Brust legen und alle Kraft in meinen Körper und die Atmung stecken.

Das fiel mir gar nicht so leicht. Es klappte einfach nicht. Die Ärztin kündigte an, während der nächsten Wehe einen Dammschnitt zu machen. Davor hatte ich Angst. Sie wartete noch eine Wehe länger damit und versprach mir, ich würde nichts davon spüren. So war es auch, ich spürte den Schnitt überhaupt nicht. Kurz danach war das Köpfchen geboren. Dann ging alles ganz schnell. Kaum einen Moment später, lag unsere Tochter zwischen meinen Beinen.

Es klingt sicher oberflächlich, aber ich hatte Sorge, sie könnte so verschmiert sein, dass ich es unangenehm finden würde. Doch so war es nicht. Ich setzte mich völlig erschöpft auf und nahm unser Baby hoch und legte es auf meinen Oberkörper. Die Hebamme im Geburtsvorbereitungskurs hatte uns empfohlen, diesen Moment zu genießen. Das Baby selbst zu nehmen und es sich nicht auf auf Brust legen zu lassen. Ich bin froh, dass ich diesen Wunsch geäußert hatte. Es fühlte sich an, als würde ich unsere Babymaus zu uns holen.

Ich schaute meinen Mann an. In seinen Augen glitzert es. Einzelne Tränen liefen über seine Wange. Er hatte sich nicht einmal beschwert , dass ich ihn verletzt hatte. Er war die ganze Zeit dabei. Er war ganze Zeit stark gewesen und hatte mir Mut gemacht. Erst jetzt merkte ich, wie anstrengend diese Geburt auch für ihn gewesen war. Wie viel Anspannung von ihm abfiel. Wir versicherten uns unsere Liebe und betrachteten unser Wunder. Das klingt vielleicht kitschig, war aber das was wir in dem Moment empfanden, als unsere Gefühle uns überrollten.

In der Zwischenzeit wurde ich genäht und versorgt. Als der ganze Trubel sich legte, hatte ich einen Bärenhunger. Zum Glück war unsere Kreißsaal-Kliniktasche voll mit Essen und Trinken. Denn das brauchten wir beide jetzt wirklich.

Meine Spontangeburt war kein Spaziergang im Sonnenschein, aber sie war machbar.

Ich hatte die Möglichkeit unsere Babymaus als Spontangeburt und ohne PDA zur Welt zu bringen. Das hatte ich mir für mich so sehr gewünscht. Rückblickend war es ein beeindruckendes Erlebnis. Doch ich fühle mich nicht so überragend, wie ich es mir ausgemalt hatte. Mir wurde eher bewusst, es spielt keine Rolle auf welchem Weg wir unsere Kinder zur Welt bringen. Wir schenken Leben. Jeder Körper leistet dabei etwas Großes. Unsere Liebe ist völlig unabhängig von der Art der Geburt.

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